Einpflegung von Brief 328.

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GregorMichalski
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versichern. Wenn Ihr Herr Bruder an mich schreiben will, so lassen Sie ihn nur die Adresse an meinen Bruder machen: den
Oberpastor Lenz in Dörpat p. Francfort, <aq>Memel et Riga,</aq> weil ich noch keine Bestimmung habe</sidenote></letterText>
<letterText letter="328"><align pos="right">StPetersburg d. 28sten Merz. 80.</align> <line type="empty"/>
Lieber Bruder! <line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Dein anhaltendes Stillschweigen macht mich nur immer dreister und weil der der einen Finger hat,
nach Petersbg. Methode die Hand nehmen muß, wenn er sich und andere nicht in Verlegenheit setzen
will, so schicke Dir noch einen Beytrag zu meiner nothwendigen auswärtigen Correspondenz, welcher
sie aber auch wohl auf immer beschliessen wird. Wohin dieser Brief geht, wirst Du leicht errathen
und was er mich gekostet, wird Dir Dein Herz sagen. Es hält schwer sich in abgerissene Verhältnisse
hineinzusetzen, wenn einen die gegenwärtigen bis an die Seele einengen. Ich habe unrecht, daß ich
diesen Brief nothwendig nenne, denn wegen der Personen die er angeht, ist er nur billig und schön,
auch wohl nicht unerwartet, da ich ein 4 Jahr kontinuirlich das Haus, an dem ich Dir die Adresse gebe,
wie ein Naturalisirter Strasburgischer Freund besucht und es von keinem Landsmann, der es gekannt, noch
ohne diese Höflichkeit geblieben. Auch hab ich ihm die <ul>Flüchtigen Aufsätze</ul> in gewisse Art dedicirt,
die in der Schweitz herauskamen. Die Adresse des Briefes ist: <ul>A Mons. Brion, Etudiant en Philosophie a Strasbourg,</ul>
zu erfragen und abzugeben in dem Hause des Herrn geh. Rath Schöll in der Schlossergasse. Das Porto wirst
Du noch dismal so gütig seyn, auf Deine Hörner zu nehmen und mir mit dem für den vorigen zu berechnen. <line type="empty"/>
<sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand, vertikal">geheimen Rath</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Gestern macht ich mit einem aus Kamtschatka hieher zurückgekommenen kommandierenden Major Böhm einen Besuch
bey dem bekannten Herrn Prof. Pallas, der mich sehr glücklich gemacht hat. Ich hoffe noch besser und näher mit
ihm bekannt zu werden, obschon seine Wohnung so entlegen ist. Das einzige was mich abhalten könnte, wäre die
Furcht, mit zu einer Bereisung der dortigen Gegenden (so vortheilhaft auch <page index="2"/> sonst die Bedingungen seyn mögen)
angetreten zu werden. Es giebt gewisse Anträge die sich mit guter Art nicht ablehnen lassen und das Beyspiel fast
sämtlicher hiesigen Professoren und Adjunkten der Akademie <insertion pos="top">Güldenstedt, Georgi, Pallas etc. </insertion> würde Aufmunterung
oder Versuchung genug seyn Gott lenke meine Wege nach seinem Rath! Pallas versichert, daß es ihm unter den Ostiaken
besser gefallen als in Petersburg. x Doch sag hievon niemand es ist <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal"><note>Verweiszeichen</note> eine Grille, die von hundert Personen auf eine so schiefe Art ausgelegt werden könnte daß mir angst
und bange werden würde. Es ist indessen gut, alle Ressourcen von Petersburg zu kennen.</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Lieber Bruder! wenn Du doch einen der Liphardschen Häuser sprichst, laß gelegentlich was durchschwitzen, von dem
befremdlichen, mit Petersburg nicht allein, sondern mit allem was in der ganzen Welt Handlung heißen kann, so <aq>barbaro modo</aq>
unkundigen Betragen des Bar. Gustav Schulz gegen unsern liebenswürdigen Brauer. Er schreibt ihm einen Brief, als ob er
ihn an seinen Domestiken schriebe, den er in Petersburg zur Bestellung seiner Brandweinslieferungen besoldet. Nun kannst
Du Dir vorstellen was das in einem der ersten Handlungshäuser in Petersb. für Eindruck macht. Er hat ihm die erste
Brandweinslieferung, wie er mir aus seinem Buch gewiesen, mit 8 Rubeln eigenem Schaden besorgen helfen, seine Unruhe
Mühe Sorgen und Bestellungen ungerechnet, da er bey seinen anderweitigen ausgedehnten Geschäften noch so manche
Versäumnis obeneinhat. Er hat den Inspektor den jener her geschikt ganz wieder die Regeln des Kaufmanns, als
Freund <insertion pos="top">des Barons</insertion> selbst mit den Connexionen bekannt gemacht, von deren Verhehlung er seinen Profit hätte machen
können: nun glaubt dieser, die Sache allein eben so gut ausrichten zu können worin er sich aber sehr betrügen wird.
Er hat ihm Gelder ausgezahlt, die dieser, immer unbescheidsamer gemacht, bis zu der Prätension ausdehnte, für ihn
Geldremessen an entfernte Personen in Liefland zu machen, deren Aufenthalt er nicht einmal weiß, ja sich für sehr
gravirt hielt, daß es nicht <page index="3"/> so gleich und so prompt geschehen war. <insertion pos="top">als er an fremdes Geld kommandirt
hatte.</insertion> Er nennt die Fastagenbrake die hier nothwendig ist, besonders da seine Fässer nicht nach dem Kransmaaß waren,
die Reparatur seiner Pipen, die er doch selbst verlangt, das Bewachen seines Vermögens u s f. Schikanen und meynt
man hätte mit 1/3 von 88 Rblen* die er zu allem bewilligt, die Richter, unter denen Etatsräthe sind u s. f. die Pächter
und alles bestechen können, sie ihm zu ersparen. Er glaubt daß der Transport in einem Ort wie Petersbg. so wie dort
auf dem Lande umsonst geschehe, kurz daß hier jedermann sich zu seinen Diensten umsonst kommandiren läßt, wie seine
Unterthanen. Auch ist der Brief an Brauer völlig in dem Ton eines Souverains den dieser mit Stillschweigen und
Mitleiden <insertion pos="top"><del><nr> </nr></del></insertion> erwiedert und abwartet; wie er sich bey dem Rath vermuthlich eines unvernünftigen Untergebenen, der
die Sache die er durch Brauers Hilfe ausgerichtet, nun eben so leicht und vermutlich mit Vortheil für sich auszurichten
meint, in kurzem befinden wird. Ob er alsdenn statt der billigen Erkenntlichkeit für die Sicherheit seiner Entreprise
und für seinen Gewinnst den man ihm in Gold und Silber umgesetzt zuschickt, um den Insp. der sonst Monathlang hätte
lauffen können, in einem halben Tage abzufertigen, kurz für Ansehen Credit und Connexionen womit Brauer ihn unterstützt
hat, noch über Schikanen und aus Versehen in die Rechnung eingeführte Posten schreyen wird. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="3" annotation="am linken Rand, vertikal">* er weiß vermuthlich nicht wieviel 1 Rbl. in Ptersb. macht. Er will nicht wissen, daß niemand hier einen Schritt
umsonst thut und daß sein Schwiegervater d. H. Tulander Eymerweise bezahlt Da des Schwiegersohns Eymer grösser,
unbehandelsamer sind und beym Aufrollen jedes allein 8 Cop. beym Abrollen 7 gekostet, welches er auf soviel 1000
Eymer berechnen kann. Daß das Geld in der Festung in Kupfer ausgezahlt wird soviel tausende daß das Zählen
bewachen doch wer kann da für Verdruß endigen. Mag ers anders probiren! und sichs stehlen lassen</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich bin weder Kaufmann noch Liefrungsverständiger, soviel aber sehe aus dem Briefe den mir Brauer vom Baron gewiesen,
daß er Petersburg nicht kennt und wenn ers auch durch keinen Unglüksfall für den er sich gar nicht in Acht zu nehmen
nöthig zu haben glaubt zu seinem Schaden kennen lernt (da er meynt, Geld zehle, bewache und transportire sich selber)
er wenigstens in kurzem einsehen wird daß der Staat den Handlungsstand so sehr zu schätzen weiß als den
<insertion pos="top">stolzen und dummen</insertion> von entfernten Landsassen. Ich küsse Dein Weib und Kinder und bin nach 1000 Empfehlungen an alle
Gönner und Freunde Frau Obr. Oldekop Peuker <line type="empty"/>
<align pos="right">Dein treuer Br.<line type="break"/>
JMR Lenz.</align> <line type="empty"/>
<page index="4"/><line type="break"/>
<line tab="1"/>Sey doch auch so gut wenn Du Papa schriebst, ihn zu bitten, gelegentlich was einfliessen zu lassen, für all die
Freundschaft und Güte die mir Brauers <ul>(u. Pflugs)</ul> hier zukommen lassen. Sie verdienen es doch wahrhaftig. Wäre es
auch möglich daß Du an Hn. Major Igelstrohm, der Dich jedesmal grüssen läßt, für alles was er mir erzeigt hat, ein
Paar Worte auf der Post schriebst würd ich es als ein Zeichen Deines brüderlichen Herzens erkennen. Von Papa selbst
könnt ein Brief der so eingerichtet wäre daß ich ihn allen Gönnern und Freunden vorlesen könnte mir <insertion pos="left">auf einmal</insertion> sehr
beförderlich werden. Bitt ihn doch daß er sich in demselben aber des allzuängstlichthuns enthalte, weil es in aller
Absicht mehr schadet als nutzt und auf seinen Karakter ein <insertion pos="left">häßlich</insertion> falsches Licht wirft. Mit Klagen ist hier gerade
<ul>alles zu verschlimmern</ul> und niemals was auszurichten, welches ich wohl erfahren besonders wenn man weiß, oder zu wissen
glaubt, daß der Klagende keine Ursache dazu hat. <line type="empty"/>
Die Versäumniß dieser Stücke hat mir bisher schon <insertion pos="top">viel</insertion> geschadet. viel bey allen <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich werde ihm nächstens selbst drüber schreiben. Ueberhaupt macht es eine unfreundliche Miene, daß ich von meinem Vater
hier keinen Brief vorweisen kann weil in den seinigen von Versinken in Schulden, Gefängniß Verfaulen in der Polizey
u. s. f. die Rede ist Ausdrücke die hier häslich könnten angesehen werden. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal, linke Spalte">(auch an Past. Wolf könnt eine Erinnerung in Deinem Briefe nicht schaden, der mich so oft invitirt und so oft Deiner
gedacht hat, auch mich nach Dir fragt.</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Schreib es Papa aber auf keine Art die ihn aufbringen oder auch nur verdrießlich machen könnte, wenn Du seine Ruhe und
mein Leben lieb hast. <line type="empty"/>
Ich mag mich darüber selbst nicht beschweren, weil ich <del>es</del> fürchte <insertion pos="top">es</insertion> mit zu viel Heftigkeit zu thun. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal, rechte Spalte">Besonders da er noch keine Ausgaben hier für mich gehabt hat; und mit Gottes Hülfe (wozu er aber doch wenigstens soviel
beytragen muß, daß er mich mit seinem Ansehen unterstützt und nicht thut, als ob ich ein <ul>geborener Knecht</ul> wäre) es doch
in kurzem zur Entscheidung kommen muß Auf die Art schadet er mir mehr, da jedermann aufmerksam werden würde, warum er mir
unfreundlicher als andern Geschwistern begegnet.</sidenote></letterText>
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<date value="St. Petersburg, 28. März 1780" />
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 21
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