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Erlangen Comics Festival 2004




Bildbericht vom elften Comic Salon Erlangen
Aufgeschrieben und abgezeichnet von Andy Bleck

Noch vor wenigen Jahren vermutete Anke Feuchtenberger in einer Podiumsdiskussion, dass die Armseligkeit der deutschen Comicproduktion nicht nur von Nachteil wäre, denn sie schüfe einen Freiraum für die unkommerzielleren Kunstcomics, die damals das einzige waren, was man an deutschen Comics im Ausland wahrnahm. Nun, die Feuchtenberger ist eine der besten deutschen Zeichner im Comicbereich (etwas anderes als 'Comiczeichner'), und die sogenannt unkommerziellen Arbeiten der Kunstcomiczeichner (im Illustrationsbereich natürlich sehr gefragt) die in den Neunzigern aus den Randbereichen des deutschen Kulturraums, Ex-DDR und Schweiz, hineinschwappten, haben die Szene zweifellos ungeheuer bereichert. Aber ein bisschen deprimierend war sie doch, diese Absage an unsere Fähigkeit, klassische Bildgeschichten hinzukriegen.

Inzwischen scheint mir eine klare Verbesserung eingetreten zu sein. Nicht alle neuen Zeichner imitieren Flächenbepünktelung oder Beseeltsein ohne gleich in die Albernheiten der alten Kindercomics (oder 'Erwachsenencomics') zurückzufallen. Stattdessen gibt es immer mehr, teilweise blutjunges, Talent, was es nicht nur gut meint sondern auch gut kann. Der Erlangener Jury ist es teilweise schon zu viel, sodass etwa der geschliffene Zeichenstil von Uli Oesterle nicht nominiert wurde, aber diese Preise sind im einzelnen egal (vielleicht nicht ganz so daneben wie die Oscars). Entscheidend ist dass jetzt eine ganze Reihe von unterschiedlichen, anspruchsvollen und ausgesprochen comichaften Arbeiten von deutschen Zeichnern prämiert werden konnten. Und das ist auch gut so.

Englische Landstrassen sind schlängelnd gewunden wie ein angelsächsischer Halsreif. Das beruht zwar auf dem komplizierten Besitzerwechsel der anliegenden Felder, aber eine andere Erklärung wäre, dass nur dadurch das relativ winzige England (etwa verglichen mit dem südlichen Nachbarn) nicht allzuschnell durchquert werden kann, und so die Illusion einer etwas substanzielleren Landfläche entsteht. Eine ähnliche Illusion von nicht zu überwältigender Fülle entstand diesmal in Erlangen, indem man wiederholt wichtige Interview- und Diskussionstermine parallel laufen liess (unterbrochen von langen Pausen), sodass dem anwesenden Reporter der Kopf surrte, und er beinah glauben konnte, das Angebot wäre viel zu gross um selbst das Wichtigste zu bewältigen. Nunja, natürlich war es das in jedem Fall, aber trotzdem wäre eine gleichmässigere Verteilung nicht unpraktisch.

Parallel liefen am Donnerstag: Das Comicquartett und der ICOM Preis, letzteres wohl die wichtigste Veranstaltung neben der Max-und-Moritz-Gala, auf die ich verzichten musste, unter anderem weil ich mir vom Comicquartett ein inspirierenderes Zeichenmotiv erhoffte (rennen nicht dauernd alle rum). Freitag war noch schlimmer parallel-besetzt: Vortrag zu Linie Claire und Diskussion über das neue Urheberrecht. Dummerweise ging ich zur Linie Claire, die leider fürs Laufpublikum konzipiert war. Hätt ich mir denken können, aber immerhin eine gute Skizze hinbekommen. Drei Stunden später war eine grosse Donald Duck Veranstaltung, auf die ich mich schon seit Tagen freute, bis ich sah, dass gleichzeitig ein Vortrag über Bilderzählen nach Dante's Göttlicher Komödie stattfand, also die frühen Anfänge der Comicentwicklung, die mein Spezialgebiet sind. (siehe bugpowder.com/andy ) - Am Abend lag dann die traditionelle 'Elefantenrunde', also die Diskussion der grossen Verlage, parallel zum Swarte Interview. Das wurde selbst vom Swarte-Interviewer kommentiert, sie hätten ja grosse Konkurrenz. Swarte ist einer meiner absoluten Helden, da musste ich hin. Aber nachdem ich die Enten und Elefanten verpasst hatte, hat mich deren Organisator, Andreas Platthaus, nicht mehr gegrüsst. Alles nur wegen dem blöden Stundenplan.

Aber in erster Linie bin ich Zeichner, das Bildreporterische ist eine auch weniger an Ästhetischem Interessierte interessierende Nebenfunktion. Ich hätte genausogut alle Topfpflanzen im Rathaus, oder die Schaufenster der Erlangener Fussgängerzone zeichnen können. Ich denke aber, mein persönliches Verlangen und Suchen nach Inhalten muss die abstrakte Qualität der Arbeiten nicht einschränken. Hier sind jedenfalls die Bilder, mehr oder weniger chronologisch, der Anordnung des dazugehörigen Heftchens folgend.


Ich bin Mittwoch mittag angereist. Mit etwas Verspätung, denn zwischen Nürnberg und Erlangen war jemand auf den Gleisen verunglückt. Als die Bahn noch eine öffentliche Institution war, hat man einfach jemand daneben gestellt und nach kurzer Zeit durften die Züge wieder passieren, aber für ein Privatunternehmen gelten andere Regeln. Da müssen erst Staatsanwalt und andere alles genau untersuchen, und es kann 3-4 Stunden und länger dauern. (Das hat mir während der Rückfahrt ein Schaffner erzählt). Die Erlangen-erstrebenden Reisenden wurden zweimal in andere Züge vertröstet, was auch nichts brachte. Ein kompetent wirkender Bahnmensch stimmte schliesslich zu, dass es sinnvoller sei den Bus zu nehmen. Zum Glück konnte ich mich einer Erlangenerin anschliessen, die mehrere Verlaufene durch U-Bahn, Strassenbahn und Bus schleuste. - Es blieb noch genug Zeit, mir zwei Ausstellungen anzugucken, die über Dante im Comic im Stadtmuseum und Joost Swarte/Bourgeon in der Städtischen Galerie am Marktplatz.











Seite 1
Dies war einer der Räume von Swarte. Die Bilder waren immer seltsam zusammengedrängt in einer Ecke jedes Raumes, ansonsten waren sie leer bis auf die klobigen, aufgemalten Symbole wie hier die Wolke rechts oben, welche mir erst sinnlos vorkamen, bis beim Abzeichnen klar wurde, dass diese Bilder Schlüssel zu den vergruppten Bildern waren. Hier gab es also lauter Wölkchen, oder zumindest Leitern, die ja symbolisch hoch hinaus wollen. Gar nicht so blöde, was? - (Weiteres zu Swarte weiter unten).
Die Bourgeon Schau in der gleichen Galerie war kleiner, aber auch sehenswert. Am Freitag war ich nochmal dort, mit Wittek und Haina Fischer. Wittek ist von Bourgeon begeistert, sein Lieblingszeichner! Besonders gefielen mir: ein Bild für den Playboy, so ne Tussi mit Regenwasser auf die Schultern prasselnd, mit weisser Gouache draufgesetzt. Noch besser die Schwarz-weiss Vorzeichnung zu einem Klapp-umschlag, ein Panorama von Sumpf und Pflanzen. Wir standen andächtig davor.











Seite 2
Mittwochabend gab's bereits die offizielle Eröffnung. Ich war etwas zu spät (musste den Swarte-raum noch fertigkriegen). Die fand in einer Werbeagentur statt, wie auch eine angebliche 'Comics in der Werbung' Ausstellung, aber wie zu erwarten waren das meist keine Comics, sondern gezeichnete Figürchen oder Trickfilm, wie die ollen Mainzelmännchen. Dabei wär eine historische, tatsächlich comicspezifische (also Bildergeschichten) Ausstellung von Comics in der Werbung voll interessant. Kommt vielleicht noch. - Besser als die Werbung gefiel mir die Innenarchitektur des Publicis Gebäudes, die in meiner Ruckzuck-skizze leider nicht zur Geltung kommt. Die Redner standen auf einer Brücke mitten durch den Raum und hielten die Lobreden auf uns runter, wie herrische Comicdiktatoren.











Seite 3
Am selben Abend im Hauptgebäude, in dem noch leeren Standplatz vom Schwarzen Turm, wo ich mehrfach gefragt wurde, ob ich dazugehöre. Naja, so ganz entfernt, weil diesmal eine 'Konky Kru' Seite ins 'Panik Elektro' reinkam (siehe Seite 20). Aber natürlich war ich bloss eingeschmuggelter Begucker der Aufbauarbeiten. Das Brett auf dem Schild ist das 'Schwarzer Turm' Namensschildchen, was 30 Sekunden nach Abgezeichnetwerden schon wieder wech war. Neben und hinter mir wurde wild geschraubt und gepinselt, alles musste geschleckt weiss aussehen. Die Renoviertrupps gaben sich grosse Mühe, einige waren täglich von 8.30 bis 23.30 beschäftigt!











Seite 4
Immer noch Mittwoch, kurz vor Sonnenuntergang (und dem schlechten Wetter am nächsten Tag) noch einen Eindruck vom Hauptgebäude und Rathaus hingekriegt. Auf den Fahnen steht natürlich 'Comic Salon'. Das grosse Plakat zum Festival ist hinter Bäumen und Laternen versteckt. Die 'Panik Elektro' Ausstellung war in dem niedrigen Seitenflügel rechts. (siehe unten, Seite 20)











Seite 5
Neben Swarte meine Lieblingsausstellung: Max (ja, ja, trotz der Krickelichkeit meiner Skizzen bin auch ich ein Freund von de Klare Lijn). Vor zwei Monaten sah ich im Londoner Comicladen 'Gosh' seinen Prachtband mit graphischen Arbeiten, Illustrationen, Postern etc. Eigentlich bin ich im Zweifelsfall dafür, dass ein Cartoonist doch bitte ein Strip-cartoonist sei und bleibe, aber wenn einer so zeichnet, mache ich eine Ausnahme. - Bei dieser Zeichnung half der Zufall: erst hatte ich žber zwei Stunden Zeit, die ganze Detailtreue hinzukriegen (Donnerstag morgens, die Horden durften erst um 12 rein) und als es fast fertig war, machten die Kerle das Licht aus. Erst wollte ich schimpfen, aber dann entpuppte sich das als das viel bessere Motiv, 'mit Dunkel'.











Seite 6
Die 'Strip Bar', in dem Häuschen neben der Städtischen Galerie untergebracht, welches früher mal 'Kulturtreff' hiess. Hier gab es ein bisschen Geplauder von Andreas Michalke und Mawil (rechts) zum Thema Comics und Populärmusik. Mawil bekam zwar diesmal noch keinen Max und Moritz Preis, hat aber bei der ICOM Jury abgesahnt (bestes Album 'Wir können ja Freunde bleiben'). Andreas hat Vinyl Singles auf seinem alten Miniplattenspieler abgespielt, das Ding hätte ich eigentlich auch noch zeichnen sollen.











Seite 7
Diaschau über Ligne Claire . Nicht besonders erhellend: dass Tim und Struppi zu L.C. gehören, weiss doch jeder. Besser wäre die Unmenge Zeichner zu erwähnen, die keiner kennt. Das Dia hinten ist übrigens die letzte Seite aus Swartes 'Modern Art'.











Seite 8
Das Swarte Interview. Sieht ihm nicht allzu ähnlich, aber ansonsten gute Zeichnung, ausnahmsweise mit Bleistift auf A5 (ansonsten mit Rapi 0.35 Faber Castell auf A4). Er konnte hervorragend deutsch sprechen. Auf die Liebe zum Quadrat befragt, korrigierte er: das wäre ein 'optisch couragiertes Quadrat'. Und zum Realismusbezug seiner Bilderwelt: 'Perspektive verstehen die Leute. Ich verstehe das auch. Das ist der Ramen um Kontakt zu haben.' Findichn guten Spruch.











Seite 9
Zweites Bild: Herr Swarte als D.J. (oder 'Dee Jee' wie die Erlangener Kulturbeauftragte ihn vorstellte). Nicht uncool, im pechschwarzen Anzug, weissem Hemd, so'n bisschen Marke Büroangestellter mit was Schrägem im Ausdruck (wie übrigens auch Hergé), und dann dufte Musik auflegen. Ich habe ihm am Schluss mein 'Berlin 2003' Skizzenheft verabreicht, mit acht Bildern von der Loveparade, und beinah dazugesagt, es müsste dort mal ein Swarte-float geben. Aber er soll doch lieber zeichnen, wie auf demselben Bild rechts am Tisch, wo er stundenlang seelenruhig signierte. (Also niet zo, maar zo.) - Ich habe nix signieren lassen, zu pleite. (Leider verdusselt, mein 'Collection 30/40' Album mitzubringen). Stattdessen die ganze Zeit zugeguckt und so mitbekommen, wie er die Signiermotive variiert, wie die Vignetten alle von oben nach unten aufgebaut (oder abgebaut?) waren ohne dass sie so aussahen (damit der Filzer nicht verwischt) und wie gestochen scharf alles gezeichnet war, inklusive für nen Typen, der meinte, 'Zeichnen sie mich'.











Seite 10
Das Comic Quartett, wo vier Alben vorgestellt und umstritten werden, wird immer interessanter und dem Fernsehvorbild (Das Literarische Quartett) ähnlicher, weil die Jungs sich mehr und mehr die Köppe heiss reden, was natürlich unterhaltsamer ist, als uns einhellig vorzutragen, was wir für gut oder schlecht zu befinden haben. Vor allem der Zusatz vom streitlustigen Fanboy Lutz Göllner brachte den Ball ins Rollen. Spannender als dessen Verteidigung von so Zeugs wie Catwoman ist, wenn er die Edelcomicsvorschläge der anderen runterputzt. Allerdings ist etwa 'Palestina' von Joe Sacco ein schwieriger Fall. Er meinte, der könne nicht als Journalist auftreten und dann hanebüchen subjektiv berichterstatten und auf die Lügen der Araber hereinfallen. Göllner war selber in Israel gewesen und hatte sich sichtlich über das Buch geärgert. Platthaus meinte dagegen, ein Journalist könne durchaus aus einer bestimmten Sichtweise schreiben. Zu Göllners Zitat einer im Buch erwähnten palästinischen Villa, deren Finanzierung dann nicht weiter kommentiert wurde, meinte er richtig, dass dem Leser zuzumuten sei hier seine eigenen Schlüsse zu ziehen und dass Sacco natürlich darüber nachdächte, auch wenn er nicht alle Gedanken vorkaut. - Aber es stimmt schon, dass die Pseudoobjektivität von Sacco, besonders in der westlichen anti-israelischen Rezeption, problematisch ist. Die Antwort auf den Vorwurf des ideologischen Mülls sollte vielleicht nicht sein, dass Sacco ein subtiler Künstler ist den man genauer lesen müsse, sondern das Sacco ein Künstler ist, der das Recht hat, völlig beknackten subjektiven Mist zusammenzuschreiben, wenn das Kunstwerk als solches faszinierend bleibt. Was Sacco oder andere Künstler über sich selber und ihre Intentionen verlautbaren ist schnurzegal, war es schon immer. Sacco ist kein Journalist. Auch dass er so tut, sollte man ihm nicht zum Vorwurf machen, es ist schwierig genug, intelligente Comics zu verkaufen. Interessant ist hier der ideologische Vergleich mit einem ihm stilverwandten Künstler. Zwar wird bei Sacco eher auf Bill Elder (detailversessener Mad Zeichner) oder Crumb verwiesen, aber die sture, leicht hölzerne Pingeligkeit der Anordnung und Ausstrichelung erinnert auch an den politisch durchgeknallteren, und storymässig nicht weniger genialen Harold Gray, der wohl auch meinte, die Dinge zu zeigen wie sie sind.











Seite 11
Eckart Sackmann stellte hier eine neue Zeitschrift vor, bzw ein Jahrbuch, namens 'Das Neueste von Onkel Jup'. Was sich so salopp anhört, könnte eines der wichtigsten Comicprojekte in Deutschland werden. Das Wissen um historische Comics (18tes, 19tes Jahrhundert) ist dermassen katastrophal lückenhaft, dass man sich ins Mittelalter zurückversetzt fühlt, so wenig Daten sind über die Künstler bekannt. Jetzt will man versuchen, wenigstens die noch lebenden Zeitzeugen des letzten Jahrhunderts aufzuspüren und soviel wie möglich Neues über das Alte zusammenzutragen, und zwar präzise und verläßlich. Und das nur für den deutschsprachigen Comic, also sehr spezifisch, was als einengend empfunden werden könnte, aber nur so bleibt Raum für eingehendes Recherchieren. Die Franzosen und Amerikaner konzentrieren sich jedenfalls lieber auf ihre Leute und stehen Deutscher Vorreiterschaft desinteressiert bis feindselig gegenüber, z.B. was den ersten Comicroman angeht, 'Lenardo und Blandine' von 1783.
Bei internationalen Verstrickungen sollte allerdings auch ausländisches Material mitrecherchiert werden. Ich vermute, einer der wichtigsten frühen Entwicklungen für den Comic als populäres Massenmedium ist der Einfluss der holländischen Bilderbogen seit Mitte des 18. Jahrhunderts auf die Neuruppiner Bilderbogen um 1830, aus denen sich der Münchner Bilderbogen entwickelte, der Auslöser des modernen Comics schlechthin. Das zu erforschen w"re nicht unwichtig.











Seite 12, 13
Ich hatte mich schon 20 Minuten vor dem sonstigen Publikum ins Hoftheater geschlichen. Eine Aufseherin kam auch mehrfach reingedackelt, um nachzuprüfen ob ich denn auch wirklich abzeichne, und nicht irgendetwas Unpassendes im Sinne führte. Die Sinnigkeit dieser Zeichnungen zu determinieren überlasse ich anderen, aber das leere Theater war auch sonst überraschend, denn obwohl unten diverse Aufpasser oder Organisatoren kichernd rumgökelten, war der Raum unheimlich still, eben ganz anders als man das erwartet, ausser in einem Hitchcock Film. Am neugierigsten machte natürlich die Möglichkeit, den Zeichner des berühmtesten französischen Comics leibhaftig vor sich zu sehen (das Presseinterview hatte ich vergessen), aber der Abend war auch sonst sehr gut. Die Bühne bestand aus zwei Asterixdorfhäuschen, den drei Hauptfiguren (nein, nicht Idefix) und einer Tafelrunde, oder Halbrunde, wie am Ende eines jeden Albums. Das war eine klasse Idee, jeder der Prämierten durfte sich dann an die Runde setzten. Wie oben erwähnt waren die vielen Preise an junge deutsche Zeichner sehr willkommen, auch weil einige der ausländischen Preisträger gar nicht da waren, etwa Satrapi oder Sfar. Die Bücher verkaufen sich auch so. Das Fehlen einer vorangehenden 'unterhaltsamen Darbietung' wurde auch nicht unbedingt als negativ empfunden. Einziger Wermutstropfen war, dass Harald Havas seine Übersetzungen ins Englische diesmal vorbereitet hatte und nicht aus dem Stegreif vortrug. - Statt Seifenballett und anderem Comicfremdem Klimbim (hö, hö, da sollte mal Klaus Cornfield mit seiner Band aufspielen) kam zum Abschluss ein Interview mit Uderzo. Das war auch gut. Habe zwar nicht so viel hingeguckt, weil ich noch eine zweite Zeichnung machen wollte, aber hingehört. Dafür hat man schliesslich zwei Gehirnhälften und nicht nur eine. Am besten gefiel mir, als Platthaus nach der Zusammenarbeit mit Goscinny fragte. Man bekam den Eindruck, dass dessen Tod auch jetzt noch ein wirklicher Verlust für Uderzo ist, menschlich wie künstlerisch. Sein Wunsch, dass alle Comicschaffenden eine so gute Zusammenarbeit erreichen mögen, wie er mit Goscinny, machte mich richtig neidisch, aber auch dankbar.






















Seite 14, 15, 16
Leider fiel diesmal die Party im Schlossgarten aus (mitsamt Bratwurst und Bier). Zwar war das Wetter diesmal eh nicht danach, aber trotzdem schade. Wir standen eine Weile im Foyer und bekamen immerhin etwas Sekt, wurden aber nach einer Weile hinauskomplimentiert, zum E-werk (grosser Tanzschuppen). Dort konnte man genausowenig sitzen und plaudern, aber ich bekam diese drei Zeichnungen zustande. Seite 15 war in einem kleineren Raum ganz oben, mit ausgefallenerer Musik und einer dusteren, aber lebendigen Stimmung. - Ach so, das Bierglas auf Seite 14 ging logischerweise zu Bruch, kurz nachdem ich es skizziert hatte, sonst wären da noch mehr Striche drin.

































Seite 17
Am Sonntag versammelten sich die Max-und-Moritz Preisträger nochmal im'Kleinen Rathaussaal'. Von links nach rechts: Eckart Schott, ausgezeichnet für die Herausgabe von Juillards Eiffelturmansichten. Nunja, ausgezeichnet (in dreifachem Sinne) waren natürlich die Bilder selber, aber in gewisser Hinsicht auch nicht, denn gerade die Übersetzung von unkommerzielleren Arbeiten wird mit den Preisen besonders gelobt. Ich hätte allerdings Schotts 'The Spirit Archive' prämiert, eine wahre Grosstat. Das gehört in jede öffentliche Bücherei, aber jede! - Dann Volker Reiche (Tschuldigung, der sieht viel netter aus), welcher mit seinem Strizz in der Fazz Furore macht, als bester Zeichenstrip überhaupt, nicht nur deutscher. Zu dieser Aufwertung könnte man sagen, na und, was gibt's denn eigentlich aus den USA? Nochmal an Calvin & Hobbes vergeben, für den Rerun? Aber es gibt ihn schon, den guten US Zeitungsstrip, oft nicht syndikiert, ähnlich wie bei uns . Auch Chris Wares Seiten werden zeitungs-vorpubliziert, um ein bekannteres Beispiel zu geben. Ein guter Zeitungsstrip ist etwa 'James' im Minimalstil von Mark Tonra. Dessen witzige, und oberelegant gezeichnete vorherige Serie 'Top of the World' wurde noch weniger wahrgenommen. - Next in Lain: Flix, der gemeinsam mit Jens Harder (zu weit rechts, deswegen nicht mehr im Bild) 'beste Eigenpublikation' gewonnen hat. - Daneben sass Harald Havas und dann der 'beste deutschsprachige Comiczeichner', Ulf K.. (Wenn ein abgekürztes Wort wie 'K.' am Ende eines Satzes kommt, weiss ich nie, ob ich noch einen Punkt dazusetzen soll, sieht dann fast aus wie Fortsetztungspünktchen). - Hatta auch verdient, obwohl die dicke graphische Novelle kommt ja noch.
Alles in allem ziemlich gute Auswahl, auch was das Nominieren betrifft. Das zeigt sich schon daran, dass man sich nicht auf ein bestes Album einigen konnte. Die deutsche Comicszene ist aber noch komplexer und reichhaltiger als die Nominierungen über die Jahre das vermuten lassen. Zum Beispiel hätten zwei Frankfurter längst mal drankommen sollen, Hans Traxler und Clodwig Poth. So comicmässig wie viele der Nominierten sind die schon lange (schon ziemlich lange sogar). Und die beiden Untergrundgenies Fil und Cornfield scheinen irgendwie zu lustig zu sein um ernstgenommen zu werden. Kommen wohl zu kultich. Besonders Fil hätte den Preis für besten Sprachwitz seit Erika Fuchs verdient. (Kleine Leseempfehlung: Didis Zeugenaussage über wie er gestorben ist und was dann mit 'Dschieses' passierte - Didi & Stulle 2, Seite 42)
Trotzdem, allmählich scheint der Preis die nachwachsenden Zeichner nicht nur zum Cartoonstil oder Kunstmachen anzuspornen, sondern ausgesprochen comichaften Erzählungen, was mir der richtige Weg scheint, um eine breite, aber kultivierte Leserschaft heranzuziehen.











Seite 18
Strapazins Geburtstagsausstellung mit lustigen Bastelarbeiten. Die Schweizer haben zwar bis jetzt nicht gecheckt, dass meine Comics und Zeichnungen ganz toll sind und mich drum nie abgedruckt, aber kann ja noch werden. Der Raum war trotzdem der unstrapazierenste im Gebäude, ruhige Atmosphäre, kuhle Musik. Ausserdem Massimo Milano beim Signieren zugeguckt. Den hatte ich anscheinend schonmal abgezeichnet, ohne mich dran zu erinnern, wie er beim Durchblättern meines 'Angouleme 2002' Heftchens feststellte. Tja, mit an Gesichter erinnern ist bei mir nicht viel los, bin wohl leicht autistisch oder so. Aber Comiczeichner haben ja bekannterweise alle einen Knacks.











Seite 19
Erster Stock beim Stand von Berlin Comix. Das ist Andreas Michalke, der gerade signiert. Ganz links das Haar von Calle Claus, der da 30 Sekunden sass und meineserartens bald superberühmt wird. Hinten bisschen von Stand Edition Panel, dann der von Strapazin und ganz rechts bisschen vom Reprodukt Tisch.











Seite 20
Auf den letzten Drücker noch diese Bild von halb 5 bis kurz nach 6 hingekriegt, als abgeschlossen wurde, finito. Das war die 'Panik Elektro' Ausstellung, die cholesteringefährdet fette Untergrund-comix Anthologie, co-publiziert von Schwarzer Turm und Tausendsassa Wittek. Die Teppichstücke am Boden waren in militärischen Tarnfarben, die Tatlinesken Konstrukte noch von einer anderen Veranstaltung übriggeblieben, und genau so sah es auch aus, wie aus Strandgut zusammengezimmert. Echtmässig klasse oder was? Das Teppichstückchen was da rechts am Holz hochkrabbelt durfte ich als Andenken mit nach Hause nehmen. Im Rahmen darüber sind übrigens 4 Seiten einer schön ekligen (aber richtig) Geschichte von Calle. Wer wissen will, was da abgeht: Buch kaufen.

Weiteres:
Die Elefantenrunde wie gesagt ärgerlicherweise verpasst, aber wenigstens die Diskussion der sogenannten Independent Verlage mitbekommen (Reprodukt, Edition Moderne, Zwerchfell, Gringo, Panel). Mich interessiert besonders, welche Vorteile ein kleiner Verlag bringt, ob er einen ungewöhnlichen Zeichner vielleicht mehr betüddelt als ein grosser? So ganz klar wurde das nicht, und es sieht so aus, als ob alle deutschen Kleinverlage vor allem aus Comicfanatik existieren, also kein wirkliches Gehalt abwerfen. Vielleicht hat Edition Moderne jetzt, mit der Herausgabe von Bestseller Satrapi, die Kurve (an)gekratzt, nach 20 Jahre Pionierarbeit. Selbstverständlich ist das nicht, dass Persepolis bei Pipapo landet, das hätten die gigantischen Buchverlage vermutlich auch gerne eingesackt. In England werden die 'Buch Comics' (Ware, Sacco, Clowes, Satrapi etc) von Cape rausgeben, die absolut nüscht getan haben, um solche Künstler aufzubauen, aber da gibt's auch nix wie Edition Moderne. Selbst in Amerika wird das dicke Ware Stück ebenfalls nicht vom Stammverlag Fantagraphics gedruckt, denen fehlte einfach die Vertriebsverbindung zu den (comicfreien) Buchläden, was sich aber langsam bessert. Topshelf hat da eine eindeutigere Strategie, als reiner Bildroman Verlag, wenn auch noch klitzeklein. So kann Topshelf viele hervorragende Sachen nicht reinnehmen, weil sie dann zusätzliches Personal anheuern müssten, und dafür ist die Gewinnspanne noch zu gering. So muss die Produktion eines Vielzeichners, wie Kochalka, auf mehrere Kleinverlage aufgeteilt werden, um die Kerlchen nicht zu bankrottieren. Aber, je mehr man an Titeln zusammenträgt, je grösser die Wahrscheinlichkeit, einen Verkaufsschlager wie Satrapi, oder Craig Thompson an Land zu ziehen.

Talking of which: Das Doppelinterview mit Jim Lee und Craig Thompson fiel erst aus, weil Thompson noch nicht da war, und beim zweiten Termin hatte die oben genannte Independent Runde etwas überzogen, sodass die beiden Zeichner nochmal abdackelten, einen Kaffee trinken. Wir witzelten schon, dass jetzt das Publikum vielleicht auch nochmal einen Kaffee trinken sollte, und dann die beiden Verspäteten auch nochmal etc, aber dann warn se doch da, und es war auch richtig klasse. Mir schwante entsetzliche Peinlichkeit, aber die Kombination von Superheldenstar und Alternativcomicautor, die sich die Leute von der Comixene da ausgedacht hatten, funktionierte obergut. Lee war richtig sympathisch und voller Grosszügigkeit dem jungen Emporkömmling gegenüber, der die meisten Fragen des Publikums abbekam, und begann sogar selber ihn zu interviewen. Als Thompson eine lange Latte von europäischen Zeichnern runterrasselte, die ihn beieinflusst hätten, witzelte Lee, ja, die gleichen (hätten auch ihn beeinflusst). Bei der Frage nach storymässigen Comiceinflüssen stutzten sie beide, das wäre schwierig zu sagen, weil abstrakter. Könnten sich die Zeichner unter Euch ja auch mal fragen, welche Comics haben Euch drehbuchmässig inspiriert?

Diese Frage interessierte mich auch wegen eines vorhergehenden Interviews mit Max und Igort. Anders als bei Lee/Thompson befürchtet, widerfuhr hier zumindest mir eine gewisse Peinlichkeit, als Igort voll einen auf beleidigte Leberwurst machte, nachdem ich die gar nicht abfällig gemeinte Frage stellte, ob die Zweitfarbe Blau in seinem Buch dekorativ oder narrativ eingesetzt sei. Interessierte mich wirklich, weil das Aussehen von Comics einen Rieseneinfluss auf die Geneigtheit des Publikums hat. Igort meinte, das wäre bei ihm rein dekorativ, weil er nämlich zu dumm für etwas anderes sei. - (Schluck) - Tja, ist natürlich schön, einen so bescheidenen Zeichner anzutreffen, aber auch traurig, dass das Dekorative mal wieder soviel niedriger bewertet wird als das Narrative. Vielleicht ist diese weitverbreitete Haltung in Comic-kreisen eine Reaktion auf die traurige Flucht der guten Szenaristen, die sich alle ins Fernsehgeschäft verpissen, um ordentlich abzusahnen. - Naja, das habe ich dem Igort natürlich nicht erzählt. Stattdessen Beschwichtigungsversuch mit einem Groth/Ware Zitat, wo Groth wissen wollte was es mit den verschiedenen Lettering Stilen auf sich hätte und Ware einfach meinte 'it looks pretty'. Hat ihn auch halbwegs beruhigt. Er sagte, er wäre eben sehr empfindlich. Besonderes interessant war die Erklärung, wie es zu den stummen Passagen kam: Sein japanischer Verleger hatte ihm erklärt, dass die Leser dort auch wortlose Comicseiten wie mit einer Geräuschkulisse versehen wahrnähmen, sodass er seine europäische Scheu davor ablegte. - Max hatte wie erwähnt einen exaltierend schönen Bildband seiner Illustrationen rausgebracht, von dem Igort fand, er sei vielleicht ein kleines bisschen zu schön, worauf Max meinte, das läge daran dass er so empfindlich sei.

Es gab noch jede Menge andere Dinge, die ich gerne noch mitbekommen hätte, aber ich war auch so schon fix und fertig (wie das Skizzenheft, relativ fix fertig). Die McKean Ausstellung etwa nur kurz durchhuscht. Sein Hauptstil ist nicht so mein Fall, aber er ist so vielseitig, dass auch manches mich beeindruckende dabeiwar. Gerne gezeichnet hätte ich den tollen Stand von Moga Mobo, und noch mehr von den Besuchern. Und noch mehr Verleger bequatscht. Und noch mehr vielversprechende neue Zeichner aufgestöbert. Das macht vielleicht am meisten Spass, Neuland entdecken. Im ersten Stock lümmelten jede Menge verschlafener Kunststudenten herum. Statt ein Dutzend Einzeltische der Hochschulen sollte vielleicht ein grosser Gemeinschaftsstand organisiert werden, wo man abwechselnd aufpasst und noch besseren Austausch untereinander hat, und den restlichen Raum für Ausstellung und Rumsitzen benutzen? Oder zumindest die Ausruhlager von den Tischen verbannen, damit da bisschen mehr Pepp in die Sache kommt. Egal, sie konnten sich vielleicht noch nicht so gut präsentieren, aber hatten teilweise voll was aufm Kasten. Wenn die nicht in die Werbung abhauen, kann man für unsere Comickultur viel Gutes und Spannendes erwarten.

Andy


(published in 'Plop')








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