13. Internationales Hamann-Kolloquium

29. März – 1. April 2023 im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg

»… genaueste Localität, Individualität und Personalität«. Johann Georg Hamann in Königsberg

Tagungsprogramm · Veranstalter:innen

Die geplante Tagung ist die dreizehnte in der Reihe der Internationalen Hamann-Kolloquien. Gegründet wurde das Hamann-Kolloquium 1976 von Arthur Henkel mit einer ersten Tagung, die in Lüneburg in Verbindung mit dem dortigen Nordostdeutschen Kulturwerk e.V. stattfand. Es vereinigt seither in zwangloser Folge etwa alle vier Jahre Gelehrte verschiedener Wissenschaften (insbesondere Germanistik, Philosophie und Theologie).

Hamann selbst sah die Eigenart seiner Schriften durch »... genaueste Localität, Individualität und Personalität« bestimmt. Ein besonderes Gewicht kommt dabei der Königsberger Lokalität zu, hat Hamann doch hier die prägenden Jahre der Kindheit, der Schul- und Studienzeit sowie auch die längste Zeit seiner beruflichen Tätigkeit verbracht. Hier hat sich seine »Individualität und Personalität« entwickelt; hier hat er Gesprächspartner gefunden, die ihn zu vielfältigen Beiträgen angeregt und herausgefordert haben. Diese besondere »Localität« mit ihrem Beziehungsnetz genauer auszuleuchten, ist ein Desiderat der Forschung, dem das Kolloquium nachkommen soll.

Von Berlin aus betrachtet, liegt Königsberg im 18. Jahrhundert an der Peripherie Preußens, in einer Grenzregion, in der sich eine wechselvolle politische Geschichte abspielt und in der heterogene wirtschaftliche und kulturelle Einflüsse zusammenkommen. Denkt man an die Geschichte der Aufklärung, kommt Königsberg allerdings eine zentrale, weithin ausstrahlende Bedeutung zu. Hier hat Kant seine philosophischen Werke verfasst, in denen auf den Begriff gebracht ist, was Aufklärung bedeutet oder bedeuten kann, damals und heute.

An Person und Werk Hamanns kann diese besondere Situation exemplarisch studiert werden. Zum einen deswegen, weil Hamann selbst in mehrfacher Hinsicht Grenzgänger und Vermittler war. Wichtige Erfahrungen hat er außerhalb seiner Königsberger Heimat gesammelt – während seiner Tätigkeit als Hofmeister in Kurland/Livland und im kaufmännischen Dienst in Riga und in London – und überdies durch seine weitgespannte Lektüre Königsberger Diskurse bereichert und über jegliche Provinzialität hinausgehoben. Das gilt auch für die Überschreitung der Grenzen zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.

Zum anderen kommt Hamann eine herausragende Bedeutung in seiner besonderen Individualität zu. So vielschichtig und perspektivenreich sein schriftstellerisches Werk ist, so wenig lässt es sich in die zeitgenössischen Bewegungen und Systeme des Denkens einfach einordnen und unterordnen. Hamann bleibt ein Nonkonformist, ein Einzelgänger, der allen geschlossenen Systemen kritisch mit »Einfällen und Zweifeln« begegnet. Der von ihm in Auseinandersetzung mit Kant geprägte Begriff der Metakritik bringt diese Strategie deutlich zum Ausdruck.

Dabei hat Hamann keinesfalls seine Abhängigkeit verleugnet. So liegen seiner Autorschaft umfangreiche Lektüren zugrunde. So ist er besonders intensiv durch die Tradition lutherischer Theologie und Frömmigkeit geprägt. So weiß er sich auch einzelnen Lehrern und Gesprächspartnern im damaligen Königsberg verpflichtet.

Mit dem 13. Internationalen Hamann-Kolloquium verfolgen wir das Ziel, solche Gesprächskonstellationen genauer zu rekonstruieren, indem wir die besonderen lokalen Voraussetzungen und Bedingungen der Kommunikation (u.a. Zeitungen, Buchhandel und Verlagswesen) in den Blick rücken und indem wir Gesprächspartner einbeziehen, die bislang in der Forschung noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit gefunden haben. Beiträge zur Hamann-Forschung im engeren Sinn verbinden sich mit solchen zur Königsberger Lokalgeschichte sowie zur Geistesgeschichte der europäischen Aufklärung. In dieser Interdisziplinarität, in der sich die verschiedenen Beiträge wechselseitig herausfordern und bereichern, liegen die Chancen des geplanten Kolloquiums.

Vorläufiges (!) Tagungsprogramm (Stand: Dezember 2022)

Mittwoch, 29. März 2023

15:00 Begrüßung
Königsberger Lokalität I
15:15–15:45 Knut Martin Stünkel
Localität – Überlegungen zu einem Hamannschen Grundbegriff Oder: Königberg als Ideologie?
15:45–16:30 Gregor Babelotzky
»genaueste Localität« – eine topographische Darstellung der Lebens- und Ereignisorte Hamanns in Königsberg
16:30–17:15 Sina Dell’Anno
»an den Magum in Norden, haussäßig am alten Graben No. 758 zu Königsberg in Preußen« – Hamanns Anschrift oder Whats in an Adress?
 
19:30 Öffentlicher Abendvortrag
Johann Anselm Steiger
Die geistliche buchexterne Emblematik in Königsberg
20:15 Empfang

Donnerstag, 30. März 2023

Königsberger Gesprächspartner I
9:00–9.45 Tim Hagemann
»Gedanken und Meynungen« über Hamann und manch anderen Gegenstand. Johann George Scheffner als Aphoristiker und Essayist
9:45–10:30 Leonard Keidel
Sebastian Friedrich Trescho in Hamanns provinziellem Koordinatensystem
Kaffeepause
11:00–11:45 Joachim Ringleben
Hamann-Motive bei Hippel
11:45–12:30 Johannes Saltzwedel
Hippel, Hamann und die Frage der »Peuplierung«
Mittagspause
Königsberger Publizistik
14:30–15:15 Janina Reibold
Hamanns Verleger
15:15–16:00 Thomas Brose
Diskursräume – Konstellationen – Scientific Community. Hamann besetzt ein intellektuelles Feld: Englische Literatur und Philosophie
Kaffeepause
Aus der Forschungswerkstatt
16:30–17:15 Henning Dreyling
Geschichte des Hamann-Nachlasses in Königsberg
17:15–17:45 Naomi Miyatani
Königsberger Kirchenlieder für Hamann in London und die Herausforderung einer Übersetzung
17:45–18:30 Volker Hoffmann
Erinnerungen an Joseph Kohnen

Freitag, 31. März 2023

Königsberger Lokalität II
9:00–9.45 Konrad Bucher
Hamann und der Siebenjährige Krieg
9:45–10:30 Yvonne Al-Taie
Krankheit, erzwungene Ortsgebundenheit und Distanzkommunikation
Kaffeepause
Königsberger Gesprächspartner II
11:00–11:45 Santiago Rebelles und José F. Zúñiga
Die Bedeutung der Stadt und der Reise in der Denkkonfiguration von Hamann und Herder
11:45–12:30 Sabine Marienberg
Vergegenständlichung und Verlebendigung bei Hamann und Herder
Mittagspause
14:30–15:15 Harald Steffes
»Der unbedachtsame Alcibiades an der Brust des Sokrates«. Zu Hamanns und Herders divergierenden Sokratesdeutungen
15:15–16:00 Luca Klopfer
Der kryptojesuitische Hierophant. Zu Johann Georg Hamanns Auseinandersetzung mit Johann August Starck
Kaffeepause
16:30–17:15 Wilhelm Kühlmann
Rationalistischer Supranaturalismus. Zur alttestamentarischen Exegese des Königsberger Theologen Theodor Christoph Lilienthal (1717–1781)
17:15–18:00 Frank Simon
»die geballte Faust in eine flache Hand zu entfalten?«: Polemik in der Königsberger Gelehrtenrepublik: Was kam nach der »Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft«? [Forschungsausblick]

Samstag, 1. April 2023

Königsberger Gesprächspartner III
9:00–9.45 Hans Graubner
»Kinderphysik« und »Göttersprache«. Hintergründe und Nebentöne in den Briefen zwischen Kant und Hamann 1759 und 1774
9:45–10:30 Johannes von Lüpke
Das andere Idol. Hamanns Kritik an Kants ›Grundlegung der Sitten‹
Kaffeepause
11:00–11:45 Florian Telsnig
Wozu Aufklärung? Hamann im Gespräch mit Kant und C. J. Kraus
11:45–12:30 James Clow
SOCRATE est sur le Trône. Contextuality in Hamann’s critique of Kant’s ›What is Enlightenment?‹
Kaffeepause
13:00–13:45 Oswald Bayer
Lokalität, Individualität, Personalität
13:45–14:30 Abschlussdiskussion

Veranstalter:innen

Prof. Dr. Eric Achermann (achermann@uni-muenster.de)
Prof. Dr. Johann Kreuzer (johann.kreuzer@uni-oldenburg.de)
Prof. Dr. Johannes von Lüpke (johannes@vonluepke.com)
Dr. Janina Reibold (janina.reibold@gs.uni-heidelberg.de)

Das 13. Internationale Hamann-Kolloquium wird großzügig von der Theodor Springmann Stiftung gefördert.