prov=READ-COOP:name=TrHtr:version=2.12.0:model_id=51170:date=06_04_2024_22:42
        2024-04-06T22:11:52.866+02:00
        2024-04-06T22:42:38.083+02:00
        
    
    
        
            
                
                
            
        
        
        
            
            
                
                
                
                    Ich habe mich allezeit über den Sirachischen Aus-
                
            
            
                
                
                
                    druck gefreuet: Hochmuth war nicht für den Men-
                
            
            
                
                
                
                    schen geschaffen †. In der That es ist kein einziger
                
            
            
                
                
                
                    Anblick der menschlichen Natur unter ihren jetzigen
                
            
            
                
                
                
                    Umständen, der nicht allen heimlichen Saamen des
                
            
            
                
                
                
                    Stolzes in uns ersticken, und an der andern Seite
                
            
            
                
                
                
                    die Seele in den niedrigsten Stand der Demuth und
                
            
            
                
                
                
                    Selbstzernichtung versetzen könnte. Hochmuth reimt
                
            
            
                
                
                
                    sich nicht mit dem Menschen. Denn er ist 1) ein sün-
                
            
            
                
                
                
                    diges, 2) ein unwissendes, 3)ein armseliges Wesen.
                
            
            
                
                
                
                    Es findet sich nichts an seinem Verstande, in seinem
                
            
            
                
                
                
                    Willen, in seinem gegenwärtigen Zustande, das ein
                
            
            
                
                
                
                    beurtheilendes Geschöpf zum Stolz, oder zur Eitel-
                
            
            
                
                
                
                    keit reizen könnte.
                
            
            
                
                
                
                    Dennoch sind eben diese drey Ursachen, warum er
                
            
            
                
                
                
                    nicht stolz seyn sollte, die Gründe, warum ers ist.
                
            
            
                
                
                
                    Wäre er nicht ein sündiges Geschöpf: so würde er
                
            
            
                
                
                
                    nicht einer Leidenschaft ausgesetzet seyn, die aus dem
                
            
            
                
                
                
                    Verderben seiner Natur ihren Ursprung nimmt.
                
            
            
                
                
                
                    Wäre er nicht ein unwissendes Geschöpf: so würde
                
            
            
                
                
                
                    er einsehen, daß er nichts habe, worauf er stolz seyn,
                
            
            
                
                
                
                    könnte. Wäre nicht das ganze Geschlecht der Men-
                
            
            
                
                
                
                    stände der Vergleichung mit sich, vor seinen Augen
                
            
            
                
                
                
                    haben. Diese eben sind die Gelegenheit seiner nie=
                
            
            
                
                
                
                    drigen Leidenschaft; diese eben machen, daß er sich
                
            
            
                
                
                
                    größer achtet, als seine Brüder.
                
            
            
                
                
                
                    Ein weiser Mann wird damit zufrieden seyn, daß
                
            
            
                
                
                
                    sein Ruhm bis auf diejenige Zeit aufgeschoben
                
            
            
                
                
                
                    wird, wo er wahrhaftig verherrlichet werden soll;
                
            
            
                
                
                
                    sein Wille geläutert, und seine Seligkeit unumstö߬
                
            
            
                
                
                
                    lich gemacht seyn; oder mit andern Worten, wenn
                
            
            
                
                
                
                    er weder sündig noch unwissend, noch armselig mehr
                
            
            
                
                
                
                    seyn wird.
                
            
            
                
                
                
                    Ist eine Sache, die das menschliche Geschlecht in
                
            
            
                
                
                
                    den Augen solcher Wesen lächerlich macht, die mit
                
            
            
                
                
                
                    größern Fähigkeiten, als wir, begabt sind: so muß
                
            
            
                
                
                
                    es gewiß der Stolz seyn. Sie kennen die Eitelkeit
                
            
            
                
                
                
                    der eingebildeten Vollkommenheiten, die oft das Herr
                
            
            
                
                
                
                    des Menschen aufblähen, so sehr, und erkennen die
                
            
            
                
                
                
                    kleinen zugeworfenen Vorzüge der Geburt, des Reich- Nachfolger zu kommen.
                
            
            
                
                
                
                    hums, oder der Titel, die ein Mensch vor dem an-
                
            
            
                
                
                
                    dern bekommen hat, so richtig, daß es gewiß sehr zu
                
            
            
                
                
                
                    Ueberhebung derselben mitleidig belustigen sollten.
                
            
            
                
                
                
                    Werden diese erhabnere Wesen nicht lachen müssen,
                
            
            
                
                
                
                    so oft sie einen Sterblichen sich blähen, und über seine
                
            
            
                
                
                
                    Mitsterblichen sich wegen rechter Kleinigkeiten hinweg=
                
            
            
                
                
                
                    setzen sehen, da er doch allen Widerwärtigkeiten und
                
            
            
                
                
                
                    1 Sirach X, 20. �Oυκ ἔκτισει ἀνθρώποις
                
            
            
                
                
                
                    υπερηφανία.
                
            
            
                
            
        
        
            
            
                
                
                
                    Zufällen des ganzen Geschlechts eben so sehr unter,
                
            
            
                
                
                
                    worfen ist, als sie alle?
                
            
            
                
                
                
                    Diesen Gedanken ein größeres Licht zu geben, wol
                
            
            
                
                
                
                    len wir annehmen, jener Paulwurfhaufe sey von
                
            
            
                
                
                
                    vernünftigen Geschöpfen bewohnt, und jede Ameise,
                
            
            
                
                
                
                    ihre Gestalt und Lebensart ausgenommen, habe mensch=
                
            
            
                
                
                
                    liche Neigungen. Wie würden wir lächeln, wenn
                
            
            
                
                
                
                    uns jemand von den Stammbäumen,zeange und
                
            
            
                
                
                
                    Ehrentiteln der Bewohner dieses Paulwurfhaufens
                
            
            
                
                
                
                    folgende Erzählung machte:
                
            
            
                
                
                
                    Sehen sie, wie sich die ganze Menge theilt, und
                
            
            
                
                
                
                    jener Ameise Platz macht, die durch sie hingeht. Sie
                
            
            
                
                
                
                    müssen wissen, es ist eine Ameise von Stande, und
                
            
            
                
                
                
                    hat besser Geblüt in ihren Adern, als alle andre am
                
            
            
                
                
                
                    ganzen Sandhaufen. Sehen sie nicht, wie stolz sie
                
            
            
                
                
                
                    darauf ist; wie langsam sie daher tritt, und wie sich
                
            
            
                
                
                
                    der ganze Pöbel der Ameisen in einer gewissen Ent=
                
            
            
                
                
                
                    fernung hält? Sie werden hier eine andere wahrneh=
                
            
            
                
                
                
                    men, die auf einer kleinern Anhöhe wohnt, und auf
                
            
            
                
                
                
                    eine lange Reihe von Arbeitern herab sieht. Sie
                
            
            
                
                
                
                    ist das reichste Insekt an dieser Seite des Hügels.
                
            
            
                
                
                
                    Sie hat einen Spaziergang fast von einer halben Elle
                
            
            
                
                
                
                    schen armselig: so würde er nicht die elenden Gegen= in die Länge, und von einem Viertel Zoll in die Brei=
                
            
            
                
                
                
                    te. Sie hält wohl hundert Bediente, und hat we-
                
            
            
                
                
                
                    nigstens funfzehn Gerstenkörner in ihrem Vorraths¬
                
            
            
                
                
                
                    hause; jetzt aber hudelt sie die Ameise, die vor ihr
                
            
            
                
                
                
                    steht, und die doch, so viel man entdecken kann, so
                
            
            
                
                
                
                    gut eine Ameise ist, wie sie.
                
            
            
                
                
                
                    Hier kommt ein Insekt von hohem Lange. Be=
                
            
            
                
                
                
                    merken sie wohl einen kleinen weißen Halm Stroh,
                
            
            
                
                
                
                    bis auf die Zeit, wenn sein Verstand aufgeheitert, den es im Munde trägt? Eben diesen Halm, sollen
                
            
            
                
                
                
                    sie wissen, würde es nicht für den längsten Strich Lan
                
            
            
                
                
                
                    des am Paulwurfshügel missen. Wenn sie nur
                
            
            
                
                
                
                    wüßten, wie viel Sorge und Mühseligkeiten es über=
                
            
            
                
                
                
                    nommen hat, um ihn damit zu erkaufen. Geben sie
                
            
            
                
                
                
                    Acht, wie die Ameisen von Stande und Ansehen um
                
            
            
                
                
                
                    ihn herumschwärmen. Sollte ihm dieser Strohhalm
                
            
            
                
                
                
                    aus dem Munde fallen: so würden sie diesen ganzen
                
            
            
                
                
                
                    Haufen von Begleitern dem nächsten folgen sehen,
                
            
            
                
                
                
                    das ihn aufnähme. Alle würden ihn verlaßen, und
                
            
            
                
                
                
                    wohl gar selbst über ihn hinlaufen, um zu seinem
                
            
            
                
                
                
                    Wollen sie jetzt die Damen des Paulwurfshaufen
                
            
            
                
                
                
                    betrachten: so bemerken sie einmal jene Ameise, die
                
            
            
                
                
                
                    verwundern wäre, wenn sie sich nicht oft über die nach dem Insekt zur linken Seite lauschet, ohngeach¬
                
            
            
                
                
                
                    tet sie zu gleicher Zeit das Gesicht von ihm abzuwen¬
                
            
            
                
                
                
                    den scheint. Er sagt diesem armseligen Thierchen
                
            
            
                
                
                
                    vor, sie sey eine Göttin; ihre Augen wären heller,
                
            
            
                
                
                
                    als die Sonne; Leben und Tod stünden unter ihrem
                
            
            
                
                
                
                    Gebiete. Sie glaubt ihm, und giebt sich desfalls
                
            
            
                
                
                
                    kein geringes Ansehen. Bemerken sie einmal die Ei-
                
            
            
                
                
                
                    telkeit der Ameise zu ihrer linken Hand. Sie kann
                
            
            
                
                
                
                    kaum mehr vor Alter kriechen; aber, daß sie es nun
                
            
            
                
                
                
                    wissen,