prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.15.0:model_id=39995:lm=none:date=03_08_2024_18:33 2024-04-18T06:02:01.306+02:00 2024-08-03T18:33:46.021+02:00 ward in dem ganzen Hause seines Herrn geliebt; und das Gesinde hütete sich, ihn zu beleidigen. Denn ausser dem, daß er selbst niemanden beleidigte, konte er auch die Fehler und Laster der andern Bedienten mit ungemeiner Gleichgültigkeit ansehen. Und wenn gleich im Hause Mord, Ehebruch, Dieberey, und Rebellion ausgeübt wären: so schwieg er immer so still dazu, wie ein Lamm. Er konte keiner Seele böser seyn, oder jemanden auslachen; und ob ei gleich oft über alles lachte, so wuste doch ein jeder, daß diese seine Freundlichkeit ein Geschenk der Na¬ tur, und kein Ausbruch der Spötterey war. Die Frau des Hauses hielte ihn besonders werth. Man sagt, daß dies besonders deshalb geschah, weil Gör ge seinem Herrn nie etwas von solchen Begebenhei¬ ten erzehlte, die den Zorn eines Mannes wider seine Frau reitzen könten, und die er dennoch oft zu erfah¬ ren Gelegenheit hatte. Da indessen der Herr des Hauses auch eben nicht das Gelübde der Keuschheit in einem Kloster gelernt hatte: so fügte es sich, daß er eine alte Hausjungfer, ihrer treuen Dienste halber, und zum theil auch aus andern Ursachen gerne verheyrathet wissen wolte. Es hieß aber von ihr, wie von dem ersten Menschen im Paradiese: Für sie ward kein Gehülfe gefunden Endlich ward unser Görge aus weisen Gründen dazu gewählt, den Wunsch der Jungfer Ursula zu befrie digen; und weil sie eine belohnungswürdige Person war: so kaufte ihr Herr, ihrem neuen Ehemann, ein Brauhaus in einer nahen Stadt, versorgte ihn mit dem nöthigen Gelde, eine Haushaltung anzufangen und machte ihn kurz zu einem glücklichen Manne. Was fehlte nun unsrem Görgen? Nach seiner Art lebte er so vergnügt, daß er oft über seinen Bru¬ der Christoph herzlich lachen muste, wenn er hörte daß er auf Akademien studierte, sein kleines Vermö¬ gen verzehrte, und dennoch ohne Gönner und Mä¬ eaͤnen arm und unversorgt blieb. Görge ward in dem Orte, wo er wohnte ein sehr geliebter Mann. Seine Nachbarn nannten ihn nur immer den frommen Görgen. Ihm konte man alle Geheimnisse des Herzens anvertrauen, ohne daß er sie jemals ausplauderte. Es war so gut, als ins Wasser geworfen. Sie anzuhören kostete ihm eine kleine Ueberwindung seiner Bequemlichkeit: sie zu nicht gewinnen. Er setzte also in die Lotterie, und vergessen, kostete ihm weiter nichts, als daß er ruhig schlief, und alle gehabte Ideen verträumte. Ob er indessen gleich nicht an Weisheit zunahm: so wuchs er doch am Bauche und an Jahren zu einem über männlichen Umkreise. Man nöthigte ihn gerne in Gesellschaften: denn er war still, ohne Widerspruch, eingekehrt in die Leere seines Kopfs, und ganz ohne Gefühl. Er gab seinen Beyfall zu allem, was er sah, und sah niemals einen Fehler, dem er seinen Beyfall hätte versagen dörfen. Eine weinerliche klägliche Stimme war die Sprache seines Mitleidens, und ein baucherschütternd Lachen die Sprache seines Lobes über Tugend, Thorheit und Gebrechen. Wenn man ihn ja in einigen Händeln zum Schieds¬ richter erwäͤhlte: so entschuldigte er sich damit, daß er auf die Streitsache nicht achtung gegeben hätte! oder er sagte ganz kurz: das geht mich nichts an! Wer sich zankt, mag sich vertragen! Seine Frau wünschte indessen, daß ihr lieber Mann doch auch irgend ein Ehrenämtgen bekommen möchte, um nicht so schlechtweg Frau Görgen zu heissen. Und auch dies Glück erlangte unser Görge ohne alle sein Verdienst und Würdigkeit, Sorgen und Wissenschaft. Man brauchte eben damals zu Besetzung eines wichtigen Amts einen Mann, der durch fünf Finger sah, und überall nichts sah; der Pferde für Bäume hielte, und alle Rechnungen ge¬ nau und richtig fand. Er ward also, das, was er ward. Konte er gleich mit dem Kopfe kaum Ja! nicken: so war er doch auch kein Rabulist, der alles besser wissen wil, als seine Collegen. Man brachte alle Rechtssachen gerne vor sein Tribunal, er beschied die Partheyen auf weitern Verhör, und bat indessen, den ältesten seiner Collegen, welcher der Schöpfer seines Amts war, um sein Urtheil. Ob nun gleich auch hiebey viele Fehler vorgingen: so war es doch weit entfernt, daß man unsern Göͤrgen darüber hätte verläumden sollen. Die Parthen sagten weiter nichts, als daß Görge ein Mensch sey, der auch feh¬ len könte, oder vielmehr der auf gestellte Ordre seiner Frauen fehlen müsse. Er selbst hätte ein gutes Herz, und mit seinem guten oder bösen Willen würde er kein Kind beleidigen. Görge war also geehrt, vermögend, gesund und stark. Sein Glück vermehrte sich älle Tage. Ein¬ stens hörte er etwas von einer Amsterdammer=Lotte= rie, wobey er gewinnen könte. Kind, sagte er zu seiner Frau, Ich denke, wir setzen auch etliche Tha¬ ler. Hilft es nicht: so wird es uns auch nicht schaden. Ehrlich kommt ja überall durch. Ich habe ja nie einen Menschen beleidigt: warum solte ich nachdem er sich über diesen Einfall, in die Lotterie zu setzen, oft herzlich und überflüßig satt gelacht hatte: so erhielte er endlich die Nachricht, daß sein Loos 4000 Rthkc. gewonnen hatte. Eine reiche Matrone, die ihren Anverwandten aus besonderer Feindschaft enterbte, wolte gerne einen Mann zum Erben einsetzen, der ihr nie weder Gutes noch