prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.15.0:model_id=39995:lm=none:date=04_07_2024_13:09
        2024-07-04T13:38:55.246+02:00
        2024-07-04T13:09:32.519Z
        
    
    
        
            
                
                
            
        
        
        
            
            
                
                
                
                    Halle.
                
            
            
                
                
                
                    „Der Christ am Sonntage; eine moralische
                
            
            
                
                
                
                    "Wochenschrift zur Beförderung des innerlichen Got¬
                
            
            
                
                
                
                    "tesdienstes am Tage des HErrn. Erster Theil.
                
            
            
                
                
                
                    gr. 8vo, 1764. 1 Alphab. 6 Bogen.” Die Herren
                
            
            
                
                
                
                    Verfasser halten eine Wochenschrift für ein sehr be¬
                
            
            
                
                
                
                    quemes Mittel zur Erreichung des auf dem Titel an¬
                
            
            
                
                
                
                    gegebnen Endzwecks. Sie wunschen sich am meister
                
            
            
                
                
                
                    fromme Leser; und schreiben vornehmlich für das
                
            
            
                
                
                
                    Herz. Der Inhalt jedes Blattes bezieht sich auf die
                
            
            
                
                
                
                    sonntäglichen Evangelien; aber die Einkleidung der
                
            
            
                
                
                
                    Wahrheiten soll freyer seyn, als in Kanzelreden —
                
            
            
                
                
                
                    Die Absicht ist gut und lobenswerth; und was die
                
            
            
                
                
                
                    Ausführung betrift, so finden wir wenig dabey zu
                
            
            
                
                
                
                    erinnern. Es herrscht in der Prose eine gewisse
                
            
            
                
                
                
                    Wohlredenheit; und die poetischen Ausarbeitungen
                
            
            
                
                
                
                    sind meistens gut; so daß in dieser Schrift auf schick¬
                
            
            
                
                
                
                    liche Art Geschmack und Erbauung verbunden wer¬
                
            
            
                
                
                
                    den; wiewohl es nicht scheint, daß alle eingeschaltete
                
            
            
                
                
                
                    Stücke eigne Arbeiten sind; wie wir denn im fünften
                
            
            
                
                
                
                    Blatte Cramers bekannte Ode auf die Geburt des
                
            
            
                
                
                
                    Erlösers finden — Indessen, unsre Meynung frey
                
            
            
                
                
                
                    zu sagen, wünschten wir nicht, daß die Herren Ver¬
                
            
            
                
                
                
                    fasser sich so gar weit, als sie in der Vorrede verspre
                
            
            
                
                
                
                    chen, von der exegetischen Richtigkeit (oder, wie sie
                
            
            
                
                
                
                    sie spottweise nennen, Aengstlichkeit) entfernen möch¬
                
            
            
                
                
                
                    ten. Es kleidet in unsern Zeiten einem Lehrer der
                
            
            
                
                
                
                    Erbauung sehr übel, wenn er seine Ermahnung auf
                
            
            
                
                
                
                    falsche Auslegungen baut. Zu dieser Erinnerung be¬
                
            
            
                
                
                
                    wegen uns die umschriebnen Psalmen, die in diesem
                
            
            
                
                
                
                    Theile vorkommen, und von denen wir etwas aus¬
                
            
            
                
                
                
                    führlicher reden wollen — Zuerst stehen im 6. Blat¬
                
            
            
                
                
                
                    te der 65. und 67. umschrieben; welche ziemlich wohl
                
            
            
                
                
                
                    gerathen sind; jedoch nicht ganz. Ps. 65, v. 9.
                
            
            
                
                
                
                    „Die Herzen deiner Kinder beym Aufgange und Nie¬
                
            
            
                
                
                
                    "dergange der Sonne erfreuest du. Wir glauben,
                
            
            
                
                
                
                    daß hier die Worte deiner Kinder eingeflickt,
                
            
            
                
                
                
                    und nicht dem Sinne des Textes gemäß sind, der
                
            
            
                
                
                
                    überhaupt von allen Bewohnern des Aufgangs und
                
            
            
                
                
                
                    Niedergangs redet. V. 10. "Wenn du das Land be
                
            
            
                
                
                
                    suchest, so wird es gewässert. Es wird in der
                
            
            
                
                
                
                    Uebersetzung nicht ausgedrückt, daß hier die Rede vom
                
            
            
                
                
                
                    jüdischen Lande ist, zu dem sich nun der Prophet wen¬
                
            
            
                
                
                
                    det. pw das man durch wässern giebt, hat diese
                
            
            
                
                
                
                    Bedeutung in Piel nicht. "Du bereitest uns Ge¬
                
            
            
                
                
                
                    treyde, und befestigest es in seinem Boden. Wir
                
            
            
                
                
                
                    wunderten uns erst, warum von GOtt die Befesti¬
                
            
            
                
                
                
                    gung des Getreydes als eine Wohlthat gerühmt wird,
                
            
            
                
                
                
                    da seine Wurzel eben keine besondre Festigkeit hat,
                
            
            
                
                
                
                    sondern nur so viele als sie bedarf, wenn ein ganzes
                
            
            
                
                
                
                    Heer von Hälmern einander wechselsweise stützen soll.
                
            
            
                
                
                
                    Doch vielleicht, gedachten wir, hat der Verf. ganz be¬
                
            
            
                
                
                
                    sondre palästinische Nachrichten, daß etwa dort zu
                
            
            
                
            
        
        
            
            
                
                
                
                    Lande das Getreyde stammhaftere Wurzeln schlüge.
                
            
            
                
                
                
                    Allein im Texte finden wir, daß der Verfasser nicht
                
            
            
                
                
                
                    beobachtet hatte, daß z männlichen Geschlechts ist,
                
            
            
                
                
                
                    und also das suffixum fomininum darauf nicht gehen
                
            
            
                
                
                
                    könnte, sondern auf y. V. 12. ”Ja, HErr, du
                
            
            
                
                
                
                    „krönst das Jahr des Segens, und die Fußstapfen
                
            
            
                
                
                
                    "desselben triesen von Gutem. Hier ist abermals
                
            
            
                
                
                
                    das suffixum vernachläßigt, und von Fußstapfen des
                
            
            
                
                
                
                    Jahrs geredet worden, da es doch heißt: orbitae
                
            
            
                
                
                
                    tuae. Im Texte steht: "deine Fußtritte triefen von
                
            
            
                
                
                
                    Fettigkeit.”
                
            
            
                
                
                
                    Das letzte Wort wird hier sehr
                
            
            
                
                
                
                    matt und unbedeutend durch Gutes ausgedrückt -
                
            
            
                
                
                
                    Ps. 67. In diesem Psalm wird der 4. V. noch ein¬
                
            
            
                
                
                
                    mal mit den nämlichen Worten wiederholt, V. 6. Es
                
            
            
                
                
                
                    ist eine Art von feyerlichem Ausspruche, dessen Wie¬
                
            
            
                
                
                
                    derholung eine sehr gute Wirkung thut; wie unge¬
                
            
            
                
                
                
                    fähr bey dem lateinischen Dichter der Vers
                
            
            
                
                
                
                    ducite ab vrbe domum, mea carmina, ducite
                
            
            
                
                
                
                    Daphnim.
                
            
            
                
                
                
                    der abermals in der Folge der Ekloge wiederkömmt.
                
            
            
                
                
                
                    Wir würden diesen 4. V. etwa so übersetzen:
                
            
            
                
                
                
                    "Dich, GOtt, werden die Völker loben; die Volker
                
            
            
                
                
                
                    Die Schönheit liegt hier in der
                
            
            
                
                
                
                    "alle dich loben.
                
            
            
                
                
                
                    Wiederholung; folglich müssen die Worte sorgfältig
                
            
            
                
                
                
                    beybehalten werden. Der Uebersetzer aber hat sich
                
            
            
                
                
                
                    nicht daran gekehrt. Das eine mal giebt er nyn
                
            
            
                
                
                
                    bekennen, das andre mal danken, das vierte
                
            
            
                
                
                
                    mal rühmen; wodurch denn die Stelle völlig dem
                
            
            
                
                
                
                    Texte unähnlich wird. Im sechsten Verse wird noch
                
            
            
                
                
                
                    ohn alle Nothwendigkeit sagend eingeflickt, wodurch
                
            
            
                
                
                
                    die Worte V. 7., die nur der Prophet sagt, allen Völ¬
                
            
            
                
                
                
                    kern in den Mund gelegt werden — Doch diese bey¬
                
            
            
                
                
                
                    den Psalme sind noch vortreflich gerathen gegen den
                
            
            
                
                
                
                    22. im 20. Blatte, dessen Umschreibung so gedehnt, so
                
            
            
                
                
                
                    so matt, so abweichend von dem Texte ist, daß aller Nach¬
                
            
            
                
                
                
                    druck der Urkunde darüber verloren geht. Wir ha¬
                
            
            
                
                
                
                    ben immer geglaubt, Paraphrasen hätten vornehm¬
                
            
            
                
                
                
                    lich den Endzweck, den Sinn aufzuhellen, die ellipses
                
            
            
                
                
                
                    zu ergänzen, und dem Verstande eine gewisse Voll¬
                
            
            
                
                
                
                    ständigkeit und Verbindung zu geben; nicht aber ganz
                
            
            
                
                
                
                    fremde Einfalle einzuschieben, an die der Schriftver¬
                
            
            
                
                
                
                    fasser nicht gedacht hat, die mit seinen Begriffen nichts
                
            
            
                
                
                
                    zu schaffen haben, und oft gar denselben entgegen sind.
                
            
            
                
                
                
                    Wenn diese Art zu paraphrasiren gelten sollte, so wä¬
                
            
            
                
                
                
                    re es nicht schwer, durch Hulfe des Witzes aus einem
                
            
            
                
                
                
                    Texte alles, was man nur will, zu machen. Ueber¬
                
            
            
                
                
                
                    haupt ist hier der ganze Psalm in eine unrichtige, all¬
                
            
            
                
                
                
                    zubesondere Situation gezwungen worden, daß er des
                
            
            
                
                
                
                    Erlösers Gesinnungen am Kreuze ausdrü¬
                
            
            
                
                
                
                    cken soll. Nun ist es wahr, er redet vom Leiden
                
            
            
                
                
                
                    Christi; er gedenkt sogar einzelner Umstände, die
                
            
            
                
                
                
                    Christus nicht anders als am Kreuze erwähnen konn=