prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.15.0:model_id=39995:lm=none:date=04_07_2024_14:44 2024-07-04T13:38:53.426+02:00 2024-07-04T14:44:02.197+02:00 5tes Stück. Freytag, den 17. Februar. 1764. Fortsetzung des Versuchs über die Krankheiten des Kopfes. Die Triebe der menschlichen Natur, welche, wenn sie von viel Graden sind, Leidenschaften hei= ben, sind die Bewegkräfte des Willens; Der Ver¬ stand kommt nur dazu, so wohl das ganze Facit der Gefriedigung aller Neigungen insgesammt aus dem vorgestellten Zwecke zu schätzen, als auch die Mittel zu diesem auszufinden. Ist etwa eine Leidenschaft besonders mächtig, so hilft die Verstandesfähigkeit dagegen nur wenig; denn der bezauberte Mensch sie¬ het zwar die Gründe wieder seine Lieblingsneigung sehr gut, allein er fühlet sich ohnmächtig ihnen den thätigen Nachdruck zu geben. Wenn diese Neigung an sich gut ist, wenn die Person übrigens vernünftig ist, nur daß der überwiegende Hang die Aussicht in Ansehung der schlimmen Folgen verschließt, so ist die ser Zustand der gefesselten Vernunft Thorheit. Ein Thor kan viel Verstand haben, selbst in den Urtheil über diejenige Handlungen darinnen er thö¬ richt ist, er muß so gar ziemlich viel Verstand und ein gut Herz besitzen, damit er zu dieser gemilderter Benennung seiner Ausschweifungen berechtigt sey. Der Thor kann allenfalls einen vortreflichen Rath¬ geber für andere abgeben, wenn gleich sein Rath bey ihm. selbst ohne Wirkung ist. Er wird nur durch Schaden oder durch Alter gescheut, welches aber öfters nur eine Thorheit verdrenget, um einer andern Platz zu machen. Die verliebte Leidenschaft, oder ein gro¬ ßer Grad der Ehrbegierde haben von je her viele vernünftige Leute zu Thoren gemacht. Ein Mädchen nöthiget den furchtbaren Alcides den Faden am Rocken zu ziehen und Athens müßige Bürger schicken durch ihr läppisches Lob den Alexander an das Ende der Welt. Es giebt auch Neigungen von min¬ derer Heftigkeit und Allgemeinheit, welche gleichwohl nicht ermangeln ihre Thorheit zu erzeugen: der Bau¬ geist, die Bi. erneigung, die Büchersucht. Der aus¬ geartete Mensch ist aus seiner natürlichen Stelle ge¬ wichen und wird von allem gezogen und von allem gehalten. Dem Thoren ist der gescheute Mann entgegengesetzt; wer aber ohne Thorheit ist, ist ein Weiser. Dieser Weise kann etwa im Monde ge¬ sucht werden; vielleicht, daß man daselbst ohne Lei¬ denschaft ist und unendlich viel Vernunft hat. Der Unempfindliche ist durch seine Dummheit wieder Thorheit gesichert; vor gemeinen Augen aber hat er die Mine eines Weisen. Pyrrho sahe auf einem Schiffe im Sturm, da jedermann ängstlich beschäf¬ tigt war, ein Schwein ruhig aus seinem Troge fres¬ sen und sagte, indem er auf dasselbe wies: ” so soll „die Ruhe eines Weisen seyn." Der Unempfind= liche ist der Weise des Pyrrho. Wenn die herrschende Leidenschaft an sich selbst hassenswürdig und zugleich abgeschmackt genug ist, um dasjenige, was der natürlichen Absicht derselben gerade entgegengesetzt ist, für die Befriedigung der¬ selben zu halten, so ist dieser Zustand der verkehrten Vernunft Narrheit. Der Thor versteht die wah¬ re Absicht seiner Leidenschaft sehr wohl, wenn er gleich ihr eine Stärke einräumet, welche die Vernunft