prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.12.1:model_id=39995:lm=none:date=09_04_2024_17:12 2024-04-09T19:07:13.285+02:00 2024-04-09T19:15:22.787+02:00 den 5. October 1764. den 5. October 1764. 71tes Stück. Freytag, 71tes Stück. Freytag, Der Character des Menschenfeindes. Der Character des Menschenfeindes. Der Menschenhaß ist eine Krankheit des Geistes, Der Menschenhaß ist eine Krankheit des Geistes, die in denen damit behafteten allgemeine Ab¬ die in denen damit behafteten allgemeine Ab¬ gunst gegen die Menschen erzeugt. gunst gegen die Menschen erzeugt. Selten wird man zum Menschenfeinde geboren. Selten wird man zum Menschenfeinde geboren. Weit gefehlt, daß wir von der Natur Regungen des Weit gefehlt, daß wir von der Natur Regungen des Hasses empfangen sollten, so treten wir vielmehr mit Hasses empfangen sollten, so treten wir vielmehr mit einem Keime geselliger Liebe in die Welt. Nach und einem Keime geselliger Liebe in die Welt. Nach und nach schießt dieser Keim höher auf; unsre Bedürf¬ nach schießt dieser Keim höher auf; unsre Bedürf¬ nisse vermehren sein Wachsthum. Bloß die mensch¬ nisse vermehren sein Wachsthum. Bloß die mensch¬ liche Bosheit ist im Stande, dieses Wachsthum liche Bosheit ist im Stande, dieses Wachsthum eher oder später aufzuhalten, nach dem die Gemüths¬ eher oder später aufzuhalten, nach dem die Gemüths¬ art derer beschaffen ist, die zu Schlachtopfern dersel¬ art derer beschaffen ist, die zu Schlachtopfern dersel¬ ben werden. ben werden. Die Menschenfeindschaft also hat ihren Ursprung Die Menschenfeindschaft also hat ihren Ursprung nur in einem Herzen, das von angethanem Unrecht nur in einem Herzen, das von angethanem Unrecht und empfangnen Beleidigungen zu lebhaft gerührt und empfangnen Beleidigungen zu lebhaft gerührt ist. Der Verstand kömmt ihm zu Hülfe; er ist der ist. Der Verstand kömmt ihm zu Hülfe; er ist der Stifter des ganzen Uebels; seine Betrachtungen über Stifter des ganzen Uebels; seine Betrachtungen über andrer schlimmes Verfahren erbittern es wider sie; andrer schlimmes Verfahren erbittern es wider sie; er theilt ihm seine Galle durch die Entdeckungen mit, er theilt ihm seine Galle durch die Entdeckungen mit, die er es von ihren Fehlern anstellen läßt. die er es von ihren Fehlern anstellen läßt. Der Menschenfeind, der sehr bereitwillig ist, sich Der Menschenfeind, der sehr bereitwillig ist, sich zu täuschen, giebt seiner Krankheit den schönen Na¬ zu täuschen, giebt seiner Krankheit den schönen Na¬ men Philosophie. (Denn jeder Mensch sucht sich men Philosophie. (Denn jeder Mensch sucht sich gern seine Schwachheit zu verkleiden.) Die gering¬ gern seine Schwachheit zu verkleiden.) Die gering¬ ste Aehnlichkeit ergreift er blindlings; der Unter¬ ste Aehnlichkeit ergreift er blindlings; der Unter¬ scheid, so groß er auch seyn mag, rührt ihn nicht. scheid, so groß er auch seyn mag, rührt ihn nicht. Der Philosoph studirt zwar, sowohl als der Men¬ Der Philosoph studirt zwar, sowohl als der Men¬ schenfeind, die Fehler andrer; allein, um sie zu ver¬ schenfeind, die Fehler andrer; allein, um sie zu ver¬ meiden, um die Lasterhaften zu bessern, und dadurch meiden, um die Lasterhaften zu bessern, und dadurch in der Bahn der Weisheit, seinen einzigen Ziele, in der Bahn der Weisheit, seinen einzigen Ziele, immer weiter zu rüͤcken. Der Menschenfeind hinge¬ immer weiter zu rüͤcken. Der Menschenfeind hinge¬ gen untersucht diese Fehler nur, um in sich die Re¬ gen untersucht diese Fehler nur, um in sich die Re¬ gungen des Hasses gegen das ganze Geschlecht zu gungen des Hasses gegen das ganze Geschlecht zu stärken. Ein Zweck, der der Philosophie ihrem und stärken. Ein Zweck, der der Philosophie ihrem und des Philosophen seinem gerade entgegensteht, dessen des Philosophen seinem gerade entgegensteht, dessen Haß allein auf das Laster fällt. Haß allein auf das Laster fällt. Da die Menschenfeindschaft ein allgemeiner Haß Da die Menschenfeindschaft ein allgemeiner Haß der Menschen ist, so begreift man gnugsam, daß der der Menschen ist, so begreift man gnugsam, daß der Menschenfeind kein Vergnügen aus ihrer Gesellschaft Menschenfeind kein Vergnügen aus ihrer Gesellschaft schöpfen könne. Wollte er an der geselligen Lust schöpfen könne. Wollte er an der geselligen Lust Theil nehmen, so würde er sie dadurch gut heißen; Theil nehmen, so würde er sie dadurch gut heißen; und davon ist er weit entfernt. Außerdem ist diese und davon ist er weit entfernt. Außerdem ist diese Lust ihm eben so unerträglich, als die Gesellschaft Lust ihm eben so unerträglich, als die Gesellschaft ihm verhaßt. Die Nachsicht ist das Band der Ge¬ ihm verhaßt. Die Nachsicht ist das Band der Ge¬ sellschaft; der Nachsicht aber ist er unfähig. Zwar sellschaft; der Nachsicht aber ist er unfähig. Zwar findet man ihn zuweilen darinne; er ist sogar geneigt, findet man ihn zuweilen darinne; er ist sogar geneigt, sich dort einzustellen; denn so ist er besser im Stande, sich dort einzustellen; denn so ist er besser im Stande, seinem Hasse durch Entdeckung der darinne herrschen. seinem Hasse durch Entdeckung der darinne herrschen. den Fehler Nahrung zu verschaffen. den Fehler Nahrung zu verschaffen. Zur Freundschaft ist der Menschenfeind nicht ge¬ Zur Freundschaft ist der Menschenfeind nicht ge¬ schickter, als zur Gesellschaft. schickter, als zur Gesellschaft. Sie vertrágt zwar Sie verträgt zwar guten Rath, aber keinen bittern Tadel. guten Rath, aber keinen bittern Tadel. Der Menschenfeind ist blind gegen andrer Tugen= Der Menschenfeind ist blind gegen andrer Tugen= den, und hat nur Augen für ihre Fehler; sie allein den, und hat nur Augen für ihre Fehler; sie allein beschäftigen ihn ganz. Als ein strenger Sittenrich¬ beschäftigen ihn ganz. Als ein strenger Sittenrich¬ ter verzeiht er nicht die mindeste Kleinigkeit; alles ter verzeiht er nicht die mindeste Kleinigkeit; alles nimmt in seinen parteyischen Augen die Farbe des nimmt in seinen parteyischen Augen die Farbe des Lasters an sich. Lasters an sich. Es sollte ihm sehr leid thun, an den Menschen Es sollte ihm sehr leid thun, an den Menschen gute Eigenschaften zu entdecken. Da er bis zur Aus¬ gute Eigenschaften zu entdecken. Da er bis zur Aus¬ schweifung aufrichtig ist, würde er sich nur für ver¬ schweifung aufrichtig ist, würde er sich nur für ver¬ bunden bunden