prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.15.0:model_id=39995:lm=none:date=04_07_2024_14:55 2024-07-04T13:38:54.273+02:00 2024-07-04T14:55:01.888+02:00 7tes Stück. Freytag, den 24. Februar. 1764. Dritte Fortsetzung des Versuchs über die Krankheiten des Kopfes. )ie phantastische Gemüthsbeschaffenheit ist nirgend gemeiner als in der Hyppochondrie. Die Chi¬ maren, welche diese Krankheit ausheckt, täuschen ei= Hentlich nicht die außeren Sinne, sondern machen nur dem Hypochondristen ein Blendwerk von einer Em¬ Psendung seines eigenen Zustandes, entweder des Kör¬ pers oder Seele, die gröstentheils eine leere Grille ist. Der Hypochondrist hat ein Uebel, das, an wel¬ chem Orte es auch seinen Hauptsitz haben mag, den= noch warscheinlicher Weise das Nervengewebe in al¬ terley Theilen des Körpers unstätig durchwandert. Es ziehet aber vornemlich einen melancholischen Dunst am den Sitz der Seele, dermaßen, daß der Patient das Blendwerk fast aller Krankheiten, von denen er nur höret, an sich selbst fühlt. Er redet daher von nichts lieber als von seiner Unpäßlichkeit, lieset ger¬ ne medicinische Bücher, findet allenthalben seine ei¬ gene Zufälle, in Gesellschaft wandelt ihn auch wohl unvermerkt seine gute Laune an, und alsdann lache er viel, speiset gut, und hat gemeiniglich das Anse¬ hen eines gesunden Menschen. Die innere Phan¬ tasterey desselben anlangend, so bekommen die Bil¬ der in seinem Gehirne ofters eine Stärke und Dauer die ihm beschwerlich ist. Wenn ihm eine lächerliche Figur im Kopfe ist, (ob er sie gleich selber nur vor ein Bild der Phantasie erkennet,) wenn diese Grille ihm ein ungeziemendes Lachen in anderer Gegen¬ wart ablockt, ohne daß er die Ursache davon anzeigt, oder wenn allerhand finstere Vorstellungen in ihm einen gewaltsamen Trieb rege machen, irgend etwas böses zu stiften, vor deßen Ausbruch er selbst ängstlich besorgt ist, und der gleichwohl niemahls zur That kommt; alsdann hat sein Zustand viel ähnliches mit dem eines Verrückten, allein es hat keine Noth. Das Uebel ist nicht tief gewurzelt und hebet sich, in so weit es das Gemüth angehet, gemeiniglich entweder von selbst, oder durch einige Arzeneymittel. Einerley Vor stellung wirkt nach dem verschiedenen Gemüthszustan¬ de der Menschen in ganz unterschiedlichen Graden auf die Empfindung. Es giebt daher eine Art von Phantasterey, die jemanden blos deswegen beygeme¬ ßen wird, weil der Grad des Gefühls, dadurch er von gewißen Gegenständen gerührt wird, vor die Mäßigung eines gesunden Kopfes ausschweifend zu seyn geurtheilt wird. Auf diesen Fuß ist der Me¬ lancholicus ein Phantast in Ansehung der Uebel des Lebens. Die Liebe hat überaus viel phanta¬ stische Entzückungen, und das feine Kunstück der al= ten Staaten bestand darinn, die Bürger für die Em¬ pfindung der öffentlichen Wohlfarth zu Phantasten zu machen. Wer durch eine moralische Empfindung als durch einen Grundsatz mehr erhitzt wird, als es an¬ dere nach ihrem matten und ofters unedlen Gefühl sich vorstellen können, ist in ihrer Vorstellung-ein Phantast. Ich stelle den Aristides unter Wucherer, den Epiktet unter Hofleute und den Johann Ja¬ cob Rousseau unter die Doktoren der Sorbonne. Mich deucht, ich höre ein lautes Hohngelächter, und hundert Stimmen rufen: Welche Phantasten! Dieser