prov=READ-COOP:name=PyLaia@TranskribusPlatform:version=2.15.0:model_id=39995:lm=none:date=04_07_2024_12:50 2024-07-04T13:38:53.954+02:00 2024-07-04T12:50:00.030Z Die Schaar der trunknen Räuber theilt Sich in die goldne Beute, Sie flieht indeß, der Liebling eilt Und giebt ihr das Geleite. Zweyte Fortsetzung des Versuchs über die Krankheiten des Kopfes. Die Gebrechen des gestöhrten Kopfes laßen sich auf so viel verschiedene Hauptgattungen brin¬ gen, als Gemüthsfahigkeiten sind die dadurch ange griffen worden. Ich vermeine sie insgesamt unter folgende drey Eintheilungen ordnen zu können; erst¬ lich die Verkehrtheit der Erfahrungsbegriffe, in der Verrückung, zweytens die in Unordnung gebrachte Urtheilskraft zunachst bey dieser Erfahrung, in dem Wahnsinn, drittens die in Ansehung allgemeine rer Urtheile verkehrt gewordene Vernunft, in dem Wahnwitze. Alle übrige Erscheinungen des kran¬ ken Gehirns können, wie mich dünkt, entweder als verschiedene Grade der erwahnten Zufalle, oder als eine unglückliche Vereinbarung dieser Uebel unter einander, oder endlich als die Einpropfung derselben auf mächtige Leidenschaften angesehen, und den ange¬ führten Classen untergeordnet werden. Was das erste Uebel, nehmlich die Verrückung an¬ langt, so erläutere ich die Erscheinungen derselben auf folgende Art. Die Seele eines jeden Menschen ist, selbst in dem gesundesten Zustande geschäftig, al¬ lerley Bilder von Dingen die nicht gegenwärtig seyn zu mahlen, oder auch an der Vorstellung gegenwar¬ tiger Dinge einige unvollkommene Aehnlichkeit zu vollenden, durch einen oder andern chimarischen Zug, den die schöpferische Dichtungsfahigkeit mit in die Empfindung einzeichnet. Man hat gar nicht Ur¬ sache zu glauben; daß in dem Zustande des Wachens unser Geist hiebey andere Gesetze befolge als im Schlafe, es ist vielmehr zu vermuthen, daß nur die lebhaften sinnlichen Eindrucke in dem ersten Falle die zartere Bilder der Chimaren verdunkeln und unkent¬ lich machen, anstatt daß diese im Schlafe ihre ganze Starke haben, in welchem allen äußerlichen Eindru cken der Zugang zu der Seele verschlossen ist. Es ist daher kein Wunder, daß Träume, so lange sie dauren, für warhafte Erfahrungen wirklicher Dinge gehalten werden. Denn, da sie alsdenn in der Seele die starkste Vorstellungen seyn, so sind sie in diesem Zustande eben das was im Wachen die Empfindungen sind. Man setze nun, daß gewisse Chimären, durch welche Ursache es auch sey, gleichsam eine oder andere Or¬ gane des Gehirnes verletzt hatten, dermaßen, daß der Eindruck auf dieselbe eben so tief und zugleich eben so richtig geworden wäre, als ihn eine sinnliche Empfindung nur machen kann, so wird dieses Hirn, gespenst selbst im Wachen bey guter gesunder Ver¬ nunft dennoch für eine wirkliche Erfahrung gehalten werden müssen. Denn es wåre umsonst, einer Em¬ pfindung, oder derjenigen Vorstellung die ihr an Starke gleich kömmt, Vernunftgründe entgegen zu setzen, weil von wirklichen Dingen die Sinne weit grö¬ ßere Ueberzeugung geben als ein Vernunftschluß; zum wenigsten kann derjenige, den diese Chimäre be¬ zaubert, niemals durch vernünfteln dahin gebracht werden, an der Wirklichkeit seiner vermeynten Em¬ pfindung zu zweifeln. Man findet auch: daß Per¬ sonen, die in andern Fällen guug reife Vernunft zei¬ gen, gleichwohl fest darauf beharren, mit aller Acht¬ samkeit wer weis was vor Gespenstergestalten und Fratzengesichter gesehen zu haben, und daß sie wohl gar fein genug sind, ihre eingebildete Erfahrung mit manchem subtilen Vernunfturtheil in Zusammenhang zu bringen. Diese Eigenschaft des Gestöhrten, nach welcher er ohne einen besonders merklichen Grad einer heftigen Krankheit im wachenden Zustande ge¬ wohnt ist, gewisse Dinge als klar empfunden sich vorzu¬ stellen, von denen gleichwohl nichts gegenwärtig ist, heißt die Verrückung. Der Verrückte ist also ein Traumer im Wachen. Ist das gewöhnliche Blend¬ werk seiner Sinne nur zum Theil eine Chimäre, größten Theils aber eine wirkliche Empfindung, so ist der, so im höheren Grade zu solcher Verkehrtheit aufgelegt ist, ein Phantast. Wenn wir nach dem Erwachen in einer laßigen und sanften Zerstreuung liegen, so zeichnet unsere Einbildung die unregelmä¬ ßige Figuren etwa der Bettvorhänge, oder gewißer Flecke einer nahen Wand zu Menschengestalten aus, mit einer scheinbaren Richtigkeit, welche uns auf eine nicht unangenehme Art unterhält, wovon wir aber das Blendwerk den Augenblick wenn wir wollen zer¬ streuen. Wir traumen alsdenn nur zum Theil und haben die Chimare in unserer Gewalt. Geschicht etwas dem ähnliches in einem höheren Grade, ohne daß die Aufmerksamkeit des Wachenden das Blend¬ werk in der tauschenden Einbildung abzusondern ver¬ mag, so läßt diese Verkehrtheit einen Phantasten ver¬ muthen. Dieser Selbstbetrug in den Empfindungen ist übrigens sehr gemein und so lange er nur mittel¬ mäßig ist wird er mit einer solchen Benennung ver¬ schonet, ob zwar wenn eine Leidenschaft hinzukommt dieselbe Gemüthsschwäche in würkliche Phantasterey ausarten kann. Sonsten sehen durch eine gewöhn liche